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Meisterwerke bulgarischer Musikkultur:

Dobri Christow – der Altmeister und Patriarch der bulgarischen klassischen Musik

Freitag, 19 Dezember 2025, 20:00

Dobri Christow (1875 – 1941)

Dobri Christow (1875 – 1941)

FOTO archives.government.bg

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Als „Patriarch der bulgarischen Musik“ und „Volkskomponist“ bezeichnet, gilt der Altmeister Dobri Christow (1875–1941) als die bedeutendste Persönlichkeit der bulgarischen Musikkultur in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Sein Schaffen ist tief in den Grundlagen der nationalen klassischen Musik verankert, und als Wissenschaftler legte er den Grundstein der bulgarischen Musikpädagogik sowie der Folkloreforschung. 

Sein Lebensweg ist typisch für die Generation der Musiker nach der Befreiung Bulgariens. Er begann seine Laufbahn in Musik und Wissenschaft praktisch bei null. Weder verfügte er über ein familiäres oder gesellschaftliches Umfeld, das musikalische Bildung förderte, noch über geeignete Lehrer, Mentoren oder Gönner. Doch das innere Gefühl einer Mission trug Dobri Christow seit seiner Kindheit in sich. 

Das Haus, in dem Dobri Christow in Warna lebte, wurde 1959 zerstört

FOTO Staatsarchiv Warna

Seinen Vater – den armen Kürschner Christo Iwanow – beschrieb er als „harten Bulgaren … der als Kind aus seiner Heimatstadt Kasanlak geflohen war“. Christo war ein glühender Patriot, und der Sohn erinnerte sich, dass es genügte, wenn der Vater „eins-zwei“ rief, ohne das „drei“ abzuwarten, und die Kinder bereits „Schumi Mariza“, „Feuer lodert auf dem Balkan“, „Der Wind hallt wider…“ und „andere damals beliebte patriotische Lieder“ anstimmten. 

Über seine Mutter fand Dobri Christow Zugang zur geheimnisvollen Welt der Folklore. Jahrzehnte später schrieb der Schüler Antonín Dvořáks an der Prager Konservatorium in einem seiner bekanntesten und meistzitierten Texte, „Unsere Volksmusik“: 

„Nicht bereit für die Liebe zur Welt ist jener, der nicht gelernt hat, vor allem sein eigenes Volk zu lieben… Mein ständiger Rat an alle jungen Sänger und Musikschaffenden lautet, das Lied und die Musik unserer Vorfahren zu lieben und danach zu streben, dass sie durch künstlerische Formen einen universellen Wert erlangen. Denn es heißt: Eine Kunstmusik, die tief in der Volksmusik verwurzelt ist, besitzt universelle Gültigkeit, und je nationaler eine Musik ist, desto internationaler wird sie.“ 

Diese ästhetisch-künstlerische Sentenz klang wie ein Axiom für die entstehende bulgarische professionelle Komponistenschule. Für Dobri Christow war sie ein Glaubensbekenntnis. 

Die Büste von Dobri Christow in Warna

FOTO Facebook/dobrihristovfound

Als Pädagoge, Dirigent, Wissenschaftler und Leiter führender Musikinstitutionen war Dobri Christow besonders für seine Liebe zur Vokalkunst und seinen enormen Beitrag zum Chorschaffen in Bulgarien bekannt. Zu seinen frühen Chorwerken zählen die populären Zyklen „Liljana, schönes Mädchen“ und „Ach, ihr Mädchen aus Scherawna“, entstanden Ende des 19. Jahrhunderts. Nach seiner Rückkehr aus Prag im Jahr 1903 bearbeitete er bulgarische Lieder aus Mazedonien, die er für besonders geeignet hielt, mit den Mitteln der klassischen Harmonik gestaltet zu werden. Die meisten dieser für Männerchor geschriebenen Werke erschienen 1923 in der Sammlung „Mazedonische Lieder“. Eines der beliebtesten und bis heute meistaufgeführten Stücke ist „Dafino wino“, berühmt geworden in der Interpretation des Männerchores „Gusla“. 

Den Volksliedbearbeitungen klanglich nahe stehen auch Dobri Christows eigene Kompositionen. Für die bulgarisch-orthodoxe Kirche schuf er zwei Liturgien, die zu Klassikern wurden. Großer Beliebtheit erfreuen sich zudem seine solistischen Miniaturen, geschrieben für den berühmten bulgarischen Tenor Konstantin Michailow-Stojan. Mehr als 600 Kinder- und Schullieder stammen aus seiner Feder. 

Das weltliche wie auch sakrale Liedschaffen Dobri Christows nimmt seit über einem Jahrhundert einen zentralen Platz im Repertoire der bulgarischen Chöre ein. Ein Werk jedoch ist emblematisch. Oft als „Lobgesang der bulgarischen Chöre“ bezeichnet, ist „Rodna pesen“ („Heimatlied“) eine Hymne der bulgarischen Chorkunst. Der Text ist knapp und inspirierend: „Das Heimatlied verbindet uns für immer.“ Wir erinnern an dieses unbestrittene bulgarische Meisterwerk in der Interpretation des Gemischten Chores des Bulgarischen Nationalen Rundfunks unter der Leitung von Michail Milkow. 

Übersetzung: Lyubomir Kolarov